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Brexit-Gespräch in Paris Macron zügelt seinen Ärger über May

Nach außen muss Frankreichs Präsident Macron beim Empfang der britischen Premierministerin in Paris den harten Mann spielen. Doch in manchen Fragen steht er Theresa May näher als Angela Merkel.
Theresa May und Emmanuel Macron (Archiv)

Theresa May und Emmanuel Macron (Archiv)

Foto: Stefan Rousse / DPA

Wie fragte am Montag die Londoner "Financial Times": "Wird der französische Präsident Emmanuel Macron seine gaullistische Stunde haben und 'Nein' zu einem Ausstieg Großbritanniens à la carte sagen?"

Nun, dann wäre es an diesem Dienstagabend die richtige Zeit dafür, wenn Macron im Pariser Élysée-Palast die britische Premierministerin Theresa May empfängt. Die kommt dann gerade aus Berlin und hat dort sicher kein Nein zu hören bekommen.

Aber denkt Macron wirklich auch nur eine Sekunde daran, die Briten ohne Ausstiegsvertrag aus der EU zu werfen? Denkt er wirklich an das Veto von 1963, als der damalige französische Präsident Charles de Gaulle sich trocken gegen die Aufnahme des Vereinigten Königsreichs in die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft entschied?

"Macron spielt zwar gerade die Rolle des harten Hunds, aber er wird nichts tun, was den Konsens der 27 EU-Staaten in ihren Gesprächen mit London gefährden könnte", versichert hingegen Sébastien Maillard, Leiter des Jacques-Delors-Instituts in Paris, dem SPIEGEL. Der Europaexperte spricht stattdessen von einer Rollenverteilung zwischen Paris und Berlin, die den tatsächlichen Interessen entspräche. "Für Deutschland hätte der vertragslose Ausstieg der Briten heftigere wirtschaftliche Folgen als für Frankreich", sagt Maillard.

Tatsächlich betonte Macron in den vergangenen Wochen immer wieder, dass Frankreich auf einen "No Deal" mit den Briten gut vorbereitet wäre und wenig zu befürchten hätte. Doch auch das gehört laut Maillard zur Verhandlungstaktik. Denn einer von den 27 müsste ja May unter Druck setzten - und das tut nach dem Präzedenzfall 1963 am besten der Nachfolger De Gaulles.

Also stellen die Franzosen Bedingungen für den von May geforderten, erneuten Aufschub des Brexits: Vor allem wollen sie Beweise, dass die Gespräche Mays mit der oppositionellen Labour-Partei in London nicht nur Show sind und eine echte Kompromissperspektive bieten. Denn am meisten fürchtet der Élysée, dass May aufgrund ihrer Gespräche mit Labour von der eigenen Partei ausgebootet wird und an ihrer Stelle ein harter Brexit-Befürworter das Kommando übernimmt. Dann nämlich, so die Stimmen aus dem Élysée, wären Mays heutige Zusicherungen, dass Großbritannien bei einem späteren Brexit das weitere EU-Geschehen nicht sabotieren würde, nichts mehr wert.

Ohnehin liegen hier Macrons größte Bedenken: Erst die Eurokrise, dann die Flüchtlingskrise, jetzt die Brexitkrise - je länger sich diese hinziehe, desto handlungsunfähiger erscheine die EU aus Sicht ihrer Bürger, sagen Berater des französischen Präsidenten. Und das könnten die Bürger, so ihre Schlussfolgerung, schon bei den Europawahlen im Mai hart abstrafen.

Doch solche Bedenken wiegen eines nicht auf: Frankreichs trotz aller zeitweiligen Verwerfungen sehr enges Verhältnis zu den Inselnachbarn, das selbst ein theoretisch besseres Miteinander in der EU nach Austritt der Briten nicht in Frage stellt. Deutschlands Debatte um Rüstungsexportverbote lehrt es die Franzosen gerade wieder: Sie haben in Europa als wichtigen militärischen Verbündeten nur die Briten, ob mit oder ohne Brexit. Daran wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern.

Nichts über den Zaun brechen!

Schon deshalb weiß Macron seinen Ärger über May und das entscheidungsunfähige Londoner Parlament zu zügeln. Nicht umsonst schrieb er in seinem Brief an alle Europäer zum Auftakt des Europawahlkampfes, dass "Großbritannien einen vollwertigen Platz in Europa finden werde". Militärisch, so der Hintergedanke, wird es ihn sowieso nie verlieren.

Das weiß auch eine geduldige, französische Öffentlichkeit. Ob politisch eher rechts oder links: Die Brexit-Müdigkeit ist überall, aber sie führt nicht dazu, dass ernsthaft über die Briten geschimpft wird. Sogar der immer sehr auf Europas Handlungsfähigkeit und Souveränität bedachte "Figaro" warnte diese Woche davor, Macrons Kritikerrolle innerhalb der EU zu übertreiben.

So sieht es auch Maillard: "Beim Brexit bleiben wir am Ende alle Verlierer", bedauert der Pariser Institutsleiter. "Die EU wird dann nicht mehr die größte Volkswirtschaft der Welt sein und weniger als 500 Millionen Einwohner zählen."

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