Ylva Johansson, die EU-Kommissarin für Migration, glaubt zu wissen, was die Menschen in Europa von Brüssel hören wollen. Es soll mehr Abschiebungen geben, darauf weist die Schwedin an diesem Nachmittag immer wieder hin. "Die keine Rechte haben, sollen nach Hause gehen – das verlangen die Bürger von uns", sagt Johansson. "Die Botschaft lautet: Du wirst zurückkehren."

Die Rede ist von dem neuen EU-Migrationspakt, den die EU-Kommission vorgelegt hat. Eine der wichtigsten "Flaggschiff-Initiativen" von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen, wie ihr für Migration zuständiger Stellvertreter, der griechische EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas, es ausdrückt. Ein Neustart in der festgefahrenen Flüchtlingspolitik soll gelingen.

EU-Kommissarin Johansson betont, dass es 2019 nur 140.000 Flüchtlinge in der EU um Asyl gebeten hätten. Ein Drittel von ihnen, so Johansson, seien politische Flüchtlinge, die ihr Recht auf Asyl in der EU wohlverdient hätten. Blieben also jene zwei Drittel von der Grenze, im Jahr 2019 etwa 93.000 Flüchtlinge, die keinen Grund für Asyl hatten und entsprechend der nun anvisierten Maßnahmen des Migrationspaktes in Zukunft schneller zurückgewiesen werden sollen. "Diese 140.000 müssen wir viel besser managen als bisher", sagte Johansson. Als ginge es bei der großen "Flaggschiff-Initiative" tatsächlich nur um die Bevölkerung einer mittelgroßen Stadt.

Bei Ursula von der Leyen klingt das schon anders: "Moria ist eine starke Mahnung, dass wir alle mehr tun müssen", sagt die EU-Kommissionspräsidentin in Anspielung auf den jüngsten Brand eines Flüchtlingslagers in Griechenland. Die neuen Vorschläge sähen ein "faires und angemessenes Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten" vor. "Gemeinsam müssen wir zeigen, dass Europa Migration menschlich und effektiv managt", sagte von der Leyen.

Es folgt ein Bündel von Maßnahmen, wie anders in Zukunft mit den Flüchtlingen, die auf einer griechische Insel oder anderswo in der EU ankommen, umgegangen werden soll. Fünf Tage lang will man sie bald bei ihrer Ankunft untersuchen und identifizieren, nach einem EU-genormten Verfahren, dem die Grenzbehörden aller EU-Länder folgen sollen. Viel gründlicher als bisher soll das geschehen.

Die Behörden sollen nach Familienangehörigen in der EU fragen, nach vorherigen Besuchen und Visa. Das nämlich sei der große Unterschied zum bisherigen Dublin-Verfahren, wo jeder Flüchtling, der ankomme, einfach nur dem Land seiner Ankunft zugeordnet wird, heißt es. Wobei die fünftägige Grenzkontrolle noch einen weiteren Nutzen haben soll: Wer nämlich aus einem Land kommt, dessen Anerkennungsquote bei Asylverfahren europaweit unter 20 Prozent liegt, der kommt gleich in ein zwölfwöchiges Schnellverfahren an der Grenze, nach dem ihm die rasche Abschiebung droht.